Zeit für eine herrlich schaurige und ungeheuerlich witzige Gruselgeschichte: „Scary Harry: Von allen guten Geistern verlassen“ – Garantiert unterhaltsamer Lesestoff über zwei außergewöhnliche Kinder, einen hart schuftenden Sensenmann und einer unverfrorenen Fledermaus, die so gar nicht auf den Mund gefallen ist…
Ottos Leben ist schon ganz schön ungewöhnlich. Er wohnt in einem alten Haus bei seiner Tante Sharon im Radieschenweg. Was an sich nichts Besonderes ist, hätte Otto nicht die Fähigkeit Geister zu sehen. Allein bei ihm zu Hause, wohnen derer drei: Sir Tony im Staubsauger, Molly in der Waschmaschine und Bert im Kühlschrank. In seinem Schrank lebt Vincent, eine Fledermaus, die nicht von dieser Welt ist und obendrein noch ein recht nerviger und verquasselter Zeitgenosse. Ottos beste Freundin ist Emily. Mit ihren ungleich langen und verfilzten Harren und ihren altmodischen Klamotten hat Otto sie sofort ins Herz geschlossen. Emily kann zwar keine Geister sehen, aber sie zweifelt nicht an Ottos Fähigkeit und beneidet ihn ein wenig darum.
Eines Abends beobachtet Otto von seinem Fenster aus eine merkwürdige Situation. Herr Olsen, der Nachbar, segnet beim Radieschengießen das Zeitliche. Aber statt des Krankenwagens fährt ein klappriger, kleiner Transporter vor. Eine Gestalt fängt eine leuchtend rote Kugel, die über Herr Olsen schwebt, in einem Gurkenglas ein. Nicht lange später macht Otto die Bekanntschaft mit diesem nächtlichen Besucher: Es ist Harold, genannt Scary Harry, der seit 520 Jahren für das SIB (Seelen-Beförderungs-Institut) als Sensenmann arbeitet. Im schlabbrigen Outfit mit ausgelatschten Chucks sieht der fast gar nicht gruselig aus. Sein Job ist es, die Seelen Verstorbener einzusammeln und ins Jenseits zu befördern. Ein Tor in die andere Welt befindet sich genau in der Standuhr in Tante Sharons Haus.
Eigentlich ist Scary Harry ziemlich genervt von seinem Job. Er macht ständig Überstunden, hat kaum Urlaub und die Bezahlung ist mies. Die drei freunden sich an und Scary Harry macht sich sogar extra für Emily sichtbar. Als eines Tages die drei Hausgeister spurlos verschwinden ist guter Rat teuer. Die erste heiße Spur finden die Otto und Emily in Scaryland, einem neuen Grusel-Vergnügungspark der Stadt. Philippe Bleu, der Besitzer, sammelt die Geister, um sie in seiner Festung zur Schau zu stellen. Mit welchem Fiesling sie sich da eingelassen haben, merken Otto und Emilys erst als ihre Namen auf Scary Harrys Seelenliste erscheinen…
Nicht nur zu Halloween passend: In „Scary Harry: Von allen guten Geistern verlassen“* nimmt Sonja Kaiblinger den Tod kindgerecht und wahrlich ironisch auf die Schippe. Die Geschichte hat einfach alles für ein gelungenes Lesevergnügen: amüsanten Sprach- und Wortwitz, skurrile, aber liebenswerte Hauptfiguren, einen spannenden Kriminalfall, lustige etails und vor allem Köpfchen. Das Gruseligste am Ganzen ist wohl die makabere Thematik, die jedoch auch Kindern sehr bewusst und wohl allgegenwärtig im Leben ist. Warum also den Tod nicht einfach mal mit einer Portion Humor nehmen? Zumal es der Autorin gelingt, dem Unheimlichen und Unbekannten stinknormale Züge zu verleihen. Ein empfehlenswertes Kinderbuch für Jung und Alt!
Eure Janet