Marielle ist ein ganz besonderes Mädchen: Sie besitzt die einzigartige Fähigkeit sich in eine Meerjungfrau zu verwandeln. Jedes Mal, wenn Marielle sich verwandelt und singt, versammeln sich alle um sie herum und bewundern ihre Schönheit und lauschen ihrer Stimme. Marielle ist ein Star und genießt es. Doch als Leo neu in die Stadt zieht, gerät Marielles Leben durcheinander. Leo zieht alle Blicke auf sich. Was Marielle so dermaßen ärgert, dass ihr ein Ziegenbart wächst, und sie nur noch wie eine Ziege meckern kann: „Die Mähjungfrau“…
Marielle sitzt oft auf ihrem Lieblingsplatz auf einem Stein, direkt am Ufer der kleinen Küstenstadt. An der Mauer gegenüber versammeln sich die Menschen und bewundern sie. Marielle kann sich in eine Meerjungfrau verwandeln und singt mit einer lieblichen Stimme. Tag für Tag genießt sie die große Begeisterung der Zuschauer und freut sich über das Strahlen in den Gesichtern. Eines Tages steht dort auch Leo, das Mädchen, das gerade erst mit ihren Eltern in die Stadt gezogen ist. Leo findet dort an der Promenade das verlorengegangene Portemonnaie von Hanna; die überglücklich ist, es wieder zu haben. Damit zieht Leo die Aufmerksamkeit aller auf sich. Unerhört findet Marielle.
Und es wird noch schlimmer: In der Schule bewundern die anderen Mädchen Leos selbstgenähte Tasche und im Schwimmbad spielen alle lieber Ball mit Leo, als mit Marielle im Wasser zu planschen. Und als Marielle sich mit Hanna treffen möchte, ist die schon mit Leo verabredet. Die Wut in Marielle wächst und wächst. Bis diese mit voller Wucht aus ihr herausbricht: Määähhh! Das klingt wie eine Ziege. Von diesem Moment an ertönt aus Marielles Mund nur noch ein Mähkonzert und an ihrem Kinn wächst ein Bart. Was für eine Katastrophe! Marielle fühlt sich schrecklich…
Mit „Die Mähjungfrau“* bietet Melanie Busse ordentlich Gesprächspotential. In ihrer fantasievollen Geschichte stecken emotional intensive Themen wie Neid, Eifersucht, Missgunst, Vorurteile, Lügen, Betrügen, Entschuldigen und Verzeihen. Sie zeigt, wie Konflikte im Alltag entstehen, ablaufen und geklärt werden können und ermutigt zeitgleich dazu, sich mit den damit verbundenen Gefühlen bewusst auseinanderzusetzen sowie diese zu reflektieren.
Die bezaubernden Illustrationen von Alina Spiekermann unterstreichen gekonnt den Inhalt. Kraftvoll, ausdrucksstark, dynamisch und damit gut nachfühlbar setzt sie die Bandbreite der Emotionen in Szene. Immer mit einem kleinen Augenzwinkern versehen, das den Themen die gefühlte Schwere nimmt und während des (Vor-)Lesens für Leichtigkeit sorgt. Wunderbar anregend, um über die Fähigkeit zur Veränderung zu sprechen.
Eure Janet
PS: Einen Kritikpunkt habe ich jedoch – Worte können verletzend sein, und so finde ich den Ausdruck „dumm“ in Bezug auf ein Kind im Buch nicht gelungen. Situationen, Dinge, Verhalten oder Sachen können so sein, ja. Aber als umschreibende Bezeichnung für Menschen ist es geringschätzend sowie ableistisch. Sicherlich ist es nachvollziehbar, dass mit der Formulierung die Realität abgebildet und zum Gespräch anregt werden soll. Meist wird dies im Alltag unwissentlich oder ohne böse Absicht ausgesprochen. Doch auch kleine Worte haben eine große Wirkung. Vor allem, wenn mit Worten eine diskriminierende Bedeutung verbunden ist. Die Bezeichnung an sich zielt darauf ab, Menschen aufgrund ihrer Intelligenz abzuwerten. Kinderbücher sollten hier eine Vorbildfunktion einnehmen und solche Aussagen nicht mehr reproduzieren, damit diese aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwinden.
Text: Melanie Busse
Illustration: Alina Spiekermann
Verlag: Sternwiese Verlag
Erscheinungsjahr: 1. Juni 2022
Altersempfehlung: 4 bis 10 Jahre
ISBN: 978-3-9474-0012-6
Bildquelle: © Sternwiese Verlag