Einst, da lebte hoch über den Wolken eine Frau: Naneh Sarma. Dort wartete sie auf die Ankunft eines Mannes namens Nouruz. So viel hatte sie schon über ihn gehört. Es hieß, er brachte Menschen zum Lachen und Blumen zum Blühen. Naneh Sarma hoffte, dass er auch sie besuche und bereitete alles sorgfältig vor. Und während sie ihr Haus putzte, schwebte der Hausstaub langsam durch die Wolken in Form von zarten Flocken zur Erde nieder: „Der erste Schnee“…
Es war einmal im alten Persien, eine Frau mit Namen Naneh Sarma. Sie hatte lange Haare, weich wie Seide. Sie lebte hoch oben. Weit über den Wolken. Naneh Sarma hatte von einem Mann gehört, der gefrorene Wasser schmelzen ließ, Flüsse wieder zum Fließen brachte und Blumen zum Blühen; einem Mann namens Nouruz. Kam er in die Stadt hatte er die Luft und die Wärme des Frühlings dabei. Wenn Naneh Sarma auf der Treppe zu ihrem Hof saß, dachte sie oft über Nouruz nach und hoffte, dass er dieses Jahr auch zu ihr käme.
Sie begann überall Staub zu wischen und zu putzen. Drinnen und draußen, im Wohnzimmer und in der Küche. All der aufgewirbelte Staub schwebte in der Luft, flog durch die geöffneten Fenster, über das Balkongeländer und sank in die Wolken herab. So kam es, dass in der Welt die Menschen diesen Staub, den Staub von Naneh Sarma, Schnee nannten. Nachdem alles fertig hergerichtet war, hörte Naneh Sarma die Musik des Frühlings, schloss die Augen und kuschelte sich ermattet zusammen. Sie fiel in einen tiefen Schlaf und träumte von Nouruz…
Das Märchen über die Liebe von Naneh Sarma, den Winter symbolisierend, und Nouruz, den Frühling verkörpernd, entstammt der persischen Kultur. Die Legende besagt, dass an den letzten Wintertagen, wenn der Frühling in der Luft liegt, Naneh Sarma auf die Ankunft von Nouruz wartet, der 12 Monate auf der Reise ist. Von der mythologischen Erzählung über die Hoffnung, das Warten, die Freude, den Neubeginn und die Jahreszeiten gibt es verschiedenste Varianten. In „Der erste Schnee“* erzählt Elham Asadi die Geschichte, die sie von ihrer Großmutter in ihrer Kindheit gehört hat.
Eine Erzählung, die die gesellschaftlichen Verhältnisse ihrer Zeit widerspiegelt und in Bezug auf Rollenbilder antiquiert wirkt. Doch bietet diese dahingehend die Möglichkeit Vergleiche mit unserem heutigen Leben zu ziehen und über Themen wie gesellschaftlichen Wandel sowie kulturelle Vielfalt zu sprechen. Und nicht nur das, sondern vor allem die traumhaften Illustrationen von Sylvie Bello sind einen Blick wert. Virtuos. Voll Poesie. Himmlisch-schön den Text in Szene setzend. Jede Jahreszeit in ihre ganz eigenen Farben tauchend. Von leise-sanften Tönen hin zu einem leuchtenden Farbfeuer anwachsend. Vom Schlaf hin zum Erwachen der Natur.
Eure Janet
Text: Elham Asadi
Illustration: Sylvie Bello
Übersetzung: Ulrike Schimming
Verlag: Bohem Press
Erscheinungsjahr: 1. Juli 2022
Altersempfehlung: ab 4 Jahre
ISBN: 978-3-9593-9211-2
Bildquelle: © Bohem Press