Buchsätze: Interview mit Caroline Tent áka Racami
Caroline Tent hat sich unter dem Namen Racami als Mangaka in der deutschen Manga-Szene schon lange einen Namen gemacht. Sie ist Autorin einer mehrbändigen Serie bei altraverse und publiziert auch im Eigenverlag Werke. Caroline Tent zeichnet seit sie einen Stift halten kann und insbesondere die Erzählweise im Manga fasziniert sie – und das ist bis heute so geblieben.
Seit 2014 zeichnet Caroline Tent die Conbuch-Illustrationen für die „Connichi“ – Deutschlands größte ehrenamtlich organisierte Anime- und Manga-Convention in Wiesbaden. 2015 veröffentlicht sie ihre Serie „Zuckerwasser“* im Eigenverlag. Und Anfang 2020 startet sie zusammen mit Sozan Coskun den Mangaka-Podcast „Ikigai“, in dem die Welt des Mangazeichnens rundum beleuchtet wird. Nach dem Einzelband „Die innere Stimme – Briefe an Lille“* gibt es nun von ihr mit „Der Fluch des purpurnen Rauches“* eine mehrbändige Serie bei altraverse.
Was liebst Du an Deiner Arbeit und worauf könntest Du verzichten?
Tatsächlich liebe ich das Tuschen, und wenn die Seite mit dem Rastern (die „Graustufen“ in Manga bestehen ja aus Rasterpunkten) auf einmal so richtig fertig aussieht, und alles zusammenkommt. Früher mochte ich das Zeichnen von Hintergründen nicht so gern, das hat sich aber im Lauf der Zeit geändert, weil mich die Arbeit an „Der Fluch des purpurnen Rauches“* sonst sehr, sehr unglücklich gemacht hätte. Was mir am schwersten fällt, ist wohl der Schritt vom Text zum Papier, wenn es darum geht das Seitenlayout festzulegen. Das mache ich immer kapitel- statt seitenweise, um besser den Überblick zu behalten, aber trotzdem gilt es hier so viele Entscheidungen auf einmal zu treffen, was man wie gewichtet; was wohl der Schritt ist, bei dem es schön wäre, wenn er etwas kürzer wäre.
Wie sieht ein typischer Tag bei Dir aus? Oder gibt es die gar nicht?
Tatsächlich gibt es bei mir nicht den – einen – typischen Tag, da jede Arbeitsphase unterschiedliche Anforderungen mit sich bringt. Beim Erstellen des Seitenlayouts brauche ich beispielsweise absolute Ruhe bzw. nur ganz bestimmte Musik, und das kann ich auch nicht so lange am Stück machen, weil mein Kopf irgendwann erschöpft ist. Wenn es um das tatsächliche Zeichnen und Tuschen der Seite geht, mache ich das 10 bis 14 Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Aber neben dem Layout und dem Zeichnen der Seiten gehören auch noch andere Dinge, wie das Zeichnen von Illustrationen dazu, die sich immer mal zwischen die Seiten drängeln. Hier suche ich dann manchmal (Farb-)Inspiration in der Natur und bin deswegen recht wenig an meinem Arbeitsplatz. Gleiches würde auch gelten, wenn der Inhalt meiner neuen Serie noch geschrieben werden müsste, da gibt es nichts Inspirierenderes als das Leben, sodass ich dann recht wenig Zeit in meinem Arbeitszimmer verbringen würde.
Was war das Verrückteste, was Dir je in Bezug auf die Buchbranche passiert ist?
Ich weiß nicht, ob verrückt hier das richtige Wort ist, aber auf jeden Fall das Schönste was mir je passiert ist, war als mein Redakteur mich reingelegt hat. Zur Leipziger Buchmesse 2024 gab es zum ersten Mal Bücher zu meiner Serie „Der Fluch des purpurnen Rauches“* zu kaufen. Ich freute mich dementsprechend schon sehr darauf, da ich mit dem Verlag vor Ort sein und signieren würde. Davor fragte er, ob es eine hochauflösendere Variante des sogenannten Hexenmeisterraumes (das ist der Raum, der der ersten Collectors-Edition als Holzminiatur beiliegt) geben würde. Ich meinte „Jain“, und machte mich daran die Grafiken entsprechend zu erstellen und anzupassen.
Auf meine Frage hin, wofür das denn sei, sagte mein Redakteur mir, das könne man für ein Banner verwenden. Ich dachte mir „cool“ und machte mich freudig an die Arbeit. Als ich dann zur Leipziger Buchmesse zum ersten Mal am Stand von altraverse vor Ort war, konnte ich es kaum glauben: Das angekündigte Banner war kein Banner, sondern ein lebensgroßer Nachbau des Hexenmeisterraumes, dem wohl wichtigsten Ort in meiner Geschichte; mit echten Regalen, vielen Figuren der Monsterchen, allerlei Pflanzen und Requisiten wie einer antiken Kiste und dem Aufsteller des Protagonisten Artur dekoriert. Und ich stand da auf einmal mittendrin meiner Welt und war absolut überwältigt, weil das einfach so wundervoll war, was dort für meine Geschichte möglich gemacht wurde. Tatsächlich habe ich mich dann eine Weile unter dem Tisch gesessen, der eigentlich zum Signieren da war, weil ich all das so schön fand. Vielleicht ist das der verrückte Part? Ich habe mich auf der Leipziger Buchmesse unter einem Tisch versteckt.
Mit welcher Farbe würdest Du Deine Bücher beschreiben?
Eine Farbe, die gleichzeitig für all meine Geschichten funktioniert, zu finden, ist tatsächlich echt schwierig. Wobei ich bei „Der Fluch des purpurnen Rauches“* ja schon vorweggenommen habe, welche Farbe meiner Meinung nach am besten zu der Geschichte passt. Bei „Die innere Stimme – Briefe an Lille“*, einer von zwei Einzelbänden, die schon bei altraverse erschienen sind, wäre es ein sonniges, leicht ins Rot gehendes Orange und bei „Zuckerwasser“* wäre es ein tiefes, intensives Türkis.
Zu welchen Themen möchtest Du noch gerne Bücher veröffentlichen?
Ich liebe nichts mehr als Geschichten über Menschen zu erzählen, die versuchen ihren Platz in diesem Leben oder dieser Gesellschaft zu finden, und diese dabei zeichnerisch zu begleiten. Zu zeigen, wie sie sich gegenseitig unterstützen, welche Probleme sie haben oder welche Fehler sie machen und welche Konsequenzen das hat. Tatsächlich habe ich mit meinem Verlag altraverse und meinem Redakteur das große Glück von Menschen umgeben zu sein, bei denen die Themen, die mich interessieren, Anklang finden, sodass ich auch mit meiner aktuellen Serie meinen Interessen nachgehen kann.
Welches Buch hat Dich durch Deine Kindheit begleitet?
In meiner Jugend habe ich sehr gerne Bücher der Reihe „Gänsehaut“* gelesen. Hier insbesondere die Varianten, bei denen man selbst entscheiden muss, wo man weiterliest. Ich habe es geliebt, wenn das Buch es schaffte, mich auf eine falsche Fährte zu locken, und damals zeichnete sich wohl auch schon ab, dass ich das später selbst gern in meinen Geschichten unterbringen möchte. Außerdem waren die verschiedenen fantastischen Welten mit allerlei übernatürlichen Wesen einfach sehr spannend.
Was liest Du zurzeit?
Momentan lese ich fast nur noch Manga und hier zuletzt „Boy’s Abyss“*, „Golden Kamuy“* sowie „Nichiko’s Island“*. Wobei sich auch ganz neu „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“* von Walter Moers als Nicht-Manga ganz oben auf den Lesestapel geschummelt hat.
Ganz lieben Dank, Caroline, für das Interview.
PS: Mehr von Caroline Tent áka Racami hört ihr in ihrem Podcast „Ikigai“, lest ihr bei altraverse, unter www.racami.de oder auf ihrem Account auf Instagram.
Bildquelle: © Caroline Tent / © altraverse